Seminar mit K. Sakagawa, 2011

Seminar mit Kikuto Sakagawa - Kaden Ryu

7./8. Mai 2011 in Leer


Ikebana gestalten unter einer anderen Sichtweise. Das auszuprobieren, dazu hatten 18 Teilnehme­rinnen am Samstag, dem 7. Mai 2011, und 12 Teilnehmerinnen am Sonntag, dem 8. Mai 82011, in Leer Gelegenheit. Hatte Hannelore Krause doch für die Ohara-Studiogruppe Nordwestdeutschland für ein Ikenana-Wochenende Herrn Kikuto Sakagawa, den Gründer und Iemoto der Kaden Ryu, gewinnen können.

Ikebana mit der Bezeichnung „Unterm Regenschirm" und „Frühlingsregen", mit einem großen Blatt der Petasites japonicus, gaben uns zur Begrü­ßung einen anschaulichen Eindruck von den Arrangements der Kaden Ryu. Gespannt waren wir, mehr über die Kaden Ryu zu erfahren. Als Besonderheit der Kaden Ryu gilt das Blumenstecken „Ha­natamae" als meditativer zeremonieller Vorgang. Doch eins nach dem anderen.

„Ohne Denken arbeitet man besten. Dabei muss nicht die in der Zen-Philosophie so wichtige Leere „MU" erreicht werden", sagte Herr Sakagawa. Durch gerades Hinsetzen, Entspannen der Schul­tern, Schließen der Augen und bewusstes Atmen kann man die Alltagsgedanken loslassen und sich auf Ikebana einlassen.

Die Kaden-Ryu kennt fünf Formen:

Aufrechte Form, Schräge Form, Hängende Form, Flache Form, Kaden-Tatebana.

Mit Ausnahme vom Kaden-Tatebana werden die Hauptzweige in Form eines ungleichseitigen Drei­ecks gestaltet. In den Formen treten die Elemente Himmel, Wind und Feuer als Hauptsymbole und Wasser und Erde als Nebensymbole auf.

Am Sonnabend wurde zunächst mit Spiräen und Rosen die Hängende Form in einer hohen Vase mit Einsatz gearbeitet. Für diese sowie für alle anderen Anordnungen fand jede Teilnehmerin in der Seminarmappe exakte Anleitungen.

Mit einem Spiräenzweig wurde zunächst KU, der HIMMEL, gemäß seinen Vorgaben symbolisiert. Seine Stellung und seine Ausdruckskraft sollten noch einmal betrachtet werden, am besten aus ei­ner Entfernung von 1 bis 1,50 Meter, ehe zwei weitere Spiräenzweige als WIND (HU) und FEUER (KA) in ihren Positionen eingesetzt wurden. Drei Rosen - WASSER (SUI) symbolisierend - wurden in einer Reihe stufenweise angeordnet. Hinten stand die längste. Ihre Blüten bildeten ein Dreieck. Das Gefäß, also die Vase, übernahm die Position der ERDE (CHI), so dass ein Kosmos mit Him­mel, Wind, Feuer, Wasser und Erde entstanden war.

In einer länglichen Schale wurde dann am Nachmittag eine Aufrechte Form mit Hartriegel, Iris und Maiglöckchen arrangiert.

KU, der HIMMEL, ein Hartriegelzweig, wurde auf der linken Seite der Schale platziert. Ein weiterer Hartriegelzweig als WIND (HU) mit einer fast glei­chen Länge wie KU wurde in einen Kenzan rechts ge­setzt. KU und HU kreuzten sich. Ihre ‚Köpfe' begegneten sich auf fast gleicher Höhe. Beide Zweige sollten wirken, als tanzten sie miteinander. Das Element FEUER wurde durch zwei Iris auf der linken Seite in ihrer elegantesten Erscheinung symbolisiert. Maiglöckchen und ihre Blätter bil­deten auf der rechten Seite das Element WASSER. Sie waren kürzer als die Iris und gaben als schwache Masse der Arbeit die Balance.

Am Sonntagvormittag wurde mit Hartriegel als Hauptmaterial zunächst die Schräge Form in einer runden Schale gestaltet. Der HIMMEL wurde durch eine stark geneigte, nach oben gebrochene Li­nie präsentiert. Dazu musste entweder ein Zweig in passender Form gefunden werden. Oder er wurde in die entsprechende Form entweder mit den Händen bzw. durch vorsichtiges Einritzen in die gewünschte Form gebogen. Die Form des Zweiges konnte mit einem ‚nasenförmigen' Ausse­hen verglichen werden. Dadurch wurde Tiefe im Arrangement erzielt. Mit einem weiteren gekrümmten Hartriegelzweig wurde das Element FEUER dargestellt. Er wurde stark nach vorne zum Betrachter geneigt. Dahinter wurde dann ein fast gleich langer Hartriegel­zweig zur Unterstützung gesetzt. Das Element WIND trat in dieser Anordnung nicht auf, so dass mit Pfingstrosen anschließend gleich das WASSER kreiert wurde. Ihre Blütenköpfe wur­den geschmackvoll in der vorgeschriebenen Länge in die Arbeit integriert.

Mit Calla, Salomonssiegel, blauen und weißen Lysianthus sowie mit einem Blatt des Frauenmantels wurde am Sonntagnachmittag ein Kaden-Tatebana in der Vase arrangiert. Die Calla nahm mit einer etwa zweifachen Vasenlänge die Position des HIMMELS ein. Dahinter zeigte sich nach links verlaufend der WIND in Form von Salomonssiegel. Das Element Feuer (KA) wurde durch Lysianthus gestellt. Attraktiv verlief sie fast gerade bzw. auf den Betrachter zu. Durch weitere blaue und weiße Lysianthus-Blüten wurde sie unterstützt. Mit einem Blatt des Frauenman­tels als SUI (Wasser) wurde das Arrangement vollendet. Wichtig bei dieser Anordnung war, dass alle Stiele des gesamten Materials im Ken­zan eine strikte Reihe bildeten und gemeinsam wie eine einzige Linie bis in eine Höhe von 10 bis 15 cm gerade aufstiegen und sich erst danach nach rechts oder links verzweigten.

Herr Sakagawa betonte die Notwendigkeit, die Regeln der Natur, den Charakter und die Wachs­tumseigenschaften einer Pflanze zu kennen. Erst dann kann das Pflanzen­material als ein Element von Linie, Fläche oder Quantität sowie mit einer anspre­chenden Farbzusammensetzung zu einer Ikebana-Komposition umgesetzt werden. Dabei spielt der ‚Leere Raum' oder ‚Weiße Stelle' (= YO­HAKU) eine entscheidende Rolle. „Im übertragenen Sinn ist bei IKEBANA jedoch YOHAKU nicht einfach nur ein leerer Raum, son­dern ein bildender, mit Spannung erfüllter spiritueller „Leerer Raum", in dem man nur das Wesentliche darstellt und der das Wesentliche durch seine Leere erst zu Geltung bringt." 1

Dies und weitere Aspekte führten dazu, dass Herrn Kikuto Sakagawa Ikebana als Zeremonie – KA­DEN OTEMAE - unterrichtet. Das ist einzigartig und gibt es nur in der Kaden-Ryu. „Ohne Lärm und Hast, aufrecht sitzend gibt man Blumen, Gräsern und Zweigen im Zustand einer harmoni­schen Einheit zwischen Leib und Seele eine Zuordnung. Wichtig ist eine richtige Körperhaltung, ausge­wogene Atmung und ausgeglichene seelische Verfassung. Man soll das Nichts und das All sowie Liebe zu Menschen und zur Natur im Herzen tragen!" 2

Wie sich diese Ausführungen faktisch umsetzen lassen, davon erhielten wir einen Eindruck durch eine von Herrn Sakagawa vollzogene Ikebana-Zeremonie.

Mit Darreichen eines weißen Fächers wurde eine Begrüßung zur freundschaftlichen Begegnung versinnbildlicht. Jede Bewe­gung wurde lang­sam und bewusst ausgeführt. Durch Einsetzen eines etwa 1,5 Meter langen Bambuszweiges mit Blättern in den Kenzan wurde mit der Gestaltung des Arrangements begonnen. Danach folgten Wisteria, Spi­räe, Rhododendron, Salomonssiegel, Lysianthus, ein grünes Blatt, gelbe Azalee. Ein elementares Werk entstand, das den gesamten Kosmos in wirkungsvoller Farbhar­monie ahnen ließ und zudem einen arteigenen Ausschnitt aus der Natur zeigte. Mit einer Spritze wurde letzt­lich Wasser auf die Pflan­zen gesprüht, um durch 'Tau' Frische und Leben­digkeit anzu­deuten.

Gleichsam der Ohara-Ikebana-Schule ist die Liebe zur Natur auch für die Kaden Ryu eine Grund­voraussetzung für Ikebana. Da heißt es Ikebana mit den Beinen machen. Nur so lassen sich die Schönheiten und Einzigartigkeiten der Pflanzen erkennen und aufnehmen. Das Zusammenwirken von Natur und Leben spiegelt sich wider. Wir danken Herrn Sakagawa sehr für seine Veranschauli­chung von Ikebana.

Aber alles wäre nicht möglich gewesen, wenn Hannelore Krause nicht die gesamte Organisation des Seminars übernommen hätte. Mit ihrem Mann Enno hat sie dafür gesorgt, dass wir bestmögli­che Voraussetzungen zum Arbei­ten hatten. Eine Teilnehmerin drückte ihr Empfinden mit den Wor­ten aus: „Wieviel Arbeit die Organisation dieses Seminars erfordert hat, lässt sich nur ahnen. Das Bereitstellen von Arbeitsmateria­lien, Sorgen für einen Mittagsimbiss, die gesamte Atmo­sphäre und die wunderbaren Ikebana-Ausführungen, machten den Tag wieder einmal zu einem unvergessli­chen Erlebnis." Danke dafür.

1 Kikuto Sakagawa, IKEBANA - Zen in der Kunst des Blumenweges, S. 44, Neuer Umschau-Buchverlag GmbH, Neustadt an der Weinstraße, 2006

2 ebenda, S. 8

Dr. Bärbel Hollmann