Seminar G.Vervoort, GVdheuvels-Janssen, 2018

Seminar von Godelieve Van den heuvel-Janssens und Greta Vervoort-Vervloesem

am 16. und 17. 06. 2018 im Nachbarschaftstreff des Bauvereins Leer


Die Aufgabe am Vormittag bestand darin, in Glasgefäßen einen mitgebrachten Zweig oder eine schöne Wurzel zusammen mit dem vorbereiteten Blumenmaterial zu einer freien Anord­nung zu gestalten. Die lebhafte Godelieve hatte eine ganze Reihe verschiedener Gefäße zur Demonstration aufgebaut. Sie erzählte, dass sie dem preiswerten Angebot schöner Glasge­fäße, insbesondere von Glaszylindern, nicht widerstehen könne. Einmal habe sie bei einer Ausstellung eine ganze Treppe in einem Privathaus abgesperrt, in dem sie auf den Treppen­stufen eine große Anzahl von Glaszylindern mit auf den Kopf gestellten, getrockneten Cor­nus sibirica Ästen (lackiert) und farblich dazu passenden Bakkararosen aufgestellt habe. Sie stellte eine flache Kugelvase mit einem untergetauchten, zackigen Arkanthusblatt vor, hinter dem, kaum sichtbar, aber sehr geheimnisvoll eine rosa Hortensienblüte auf der Wasserflä­che schwamm. Das ist Poesie.

In einer überhohen, weißen Vase ringelten sich zwei Zöpfe einer schmale, graue Hänge­pflanze herab, während zwei weiß-bunt gemusterte Brunnerablätter (z.B. „Jack Frost“) als schirmartiger Hintergrund für ein Bündel weißer Pfeifenstrauchblüten (Philadelphus coronari­us) dienten.

Die kurvige Altar Aalto Vase bildete eine ideale Stütze für die eingesetzten, kurzen Rosen­zweige. Godelieve demonstrierte auch Klumpen von ungefärbten Glaskristallen, die in Glas­bläsereien häufig anfallen würden. Die kleine, sehr lebhafte Dame sprühte von Experimen­tiergeist: Eine Möglichkeit Schnee und Eis in einem Glasgefäß zu imitieren bestehe darin, heißen oder kalten Baukleber auf einem wassergefüllten Backblech im Herd zu Streifen aus­härten zu lassen.

Auf einer flachen, kuchenplattenähnlichen Schale legte sie einen dunklen, rotlaubigen Holun­derast (Schlitzblättriger Holunder) quer über die Glasfläche. Sie verwendete diesen beispiel­haft für einen Magnolienblütenzweig, der durch die Lage keinen direkten Zugang zur Was­serversorgung hat. Um den Zweig indirekt mit Wasser versorgen zu können, schnitt sie etwa bis zur Hälfte der Asttiefe kleine Spalten in den Ast. Hier wurden, farblich an den Ast ange­passte Baumwollgarnabschnitte eingezogen. Die Garnfäden ließen aus der zentralen Scha­lensenke das frischhaltende Wasser in den Holunderast aufsteigen.

Zwei trockene, schrundige Äste von Euonymus alatus (Korkspindelstrauch), die nebeneinan­der auf eine flache Glasschale gelegt wurden, dienten als Auflage für eine absteigende Rei­he von sortengleichen Rosenblüten. Ein Rosenblatt lugte augenzwinkernd aus der strengen Reihe hervor.

Es war eine liebenswürdige Demonstration, die uns viel von der ungebremsten Begeisterung Godelieves für die Ikebanakunst spüren ließ.

Danach widmete sich jede der Teilnehmerinnen dem eigenen Glasgefäß oder Gefäßen und es bot sich reichlich Gelegenheit mit der Fülle des Materials frei zu „spielen“. Godelieve korri­gierte behutsam jede fertige Anordnung. Fehlte z.B. ein zweiter Zweig, wies sie auf die ge­störte Balance und Ausgewogenheit hin. War eine Anordnung noch etwas zu dicht, so lichte­te sie vorsichtig aus und sprach davon, dass der Zweig dann besser „fließen“ würde. Auch vertrat sie die Meinung, dass man eine Anordnung nicht ein zweites Mal wiederholen könne, stets müsse man neu die beste Darstellung jedes einzelnen Zweiges ausprobieren. „Try, try, try.“

Nach einer sehr würzigen, überaus schmackhaften Suppe mit Ananas und Pilzen und einer Tasse belebendem Kaffee ging es gegen 14.00 Uhr zum zweiten Teil über.

Zunächst wurde von Greta eine kurze theoretische Einführung über die Bedeutung der Lilie für Japaner gegeben. Man unterscheidet die traditionelle Wasserlandschaft je nach der Saison, dem Material (z.B. ist auch Zantedeschia, Calla, auch Aronstab wäre möglich) und nach der Perspektive. In der traditionellen Wasserlandschaft lässt sich die Iris vom Frühjahr, über den Sommer bis zum Herbst wunderbar einsetzen. Daher würde sie auch als der „Monarch“ der Wasserpflanzen bezeichnet.

Sie erzählte eine kleine Geschichte von der Bedeutung der Lilie im Wappen für die Franzosen. Der Merowingerkönig Clodwig I. wollte mit seinen Soldaten im weiteren Umkreis von Aachen den Rhein überqueren. Kein Weg schien geeignet, bis ein Bestand von Sumpfschwertlilien eine passierbare Furt anzeigte. Daher wird bis heute die goldene „Fleur-de-Lys“ im Wappen verehrt.

Greta demonstrierte zunächst den Aufbau einer traditionellen Wasserlandschaft im Sommer mit Lilien. Hierbei sind die Blattgruppen länger als im Frühjahr und die Blumen können die Blätter übersteigen. Blumen und Lilienblätter wurden in vorgeschriebener Manier in „clumbs“ (Gruppen) im Shippo eingesteckt. Die beiden Blüten der Shu-Gruppe und der Kjaku-Gruppe sollten sich aufeinander zu bewegen. Es war nicht nur auf die „Nasen“ (Blattspitzen) zu ach­ten, sondern es musste auch das ausgewogene Höhenverhältnis der Blattgruppen stimmen. Die schönen Gefäße und die jetzt prächtigen Wasserlandschaften wurden von den Teilneh­merinnen mit Liebe fotografiert.

Fast unbemerkt hatte Godelieve derweil auf einem Seitentisch ein großes Rimpa mit vergol­deten Wurzeln und mehreren Gruppen von Goldregenzweigen und einem Fontänen gleichen Bund Gras (Miscanthus) arrangiert. Der Goldregen, der schon Schoten angesetzt hatte, ge­stattete es, eine Illusion von einem fließenden Wasserfall und springenden Bächlein zu er­zeugen. Der angesprühte Goldlack auf den kräftigen Wurzeln sollte an den goldenen Hinter­grund vieler klassischer japanischer Gemälde und Wandschirme erinnern.

Frau Hannelore Krause bedankte sich für den schönen Tag und meinte, alle seien schon ge­spannt auf die Fortsetzung.

Am Sonntagmorgen fanden sich fast alle Teilnehmerinnen vom Vortag zu einem weiteren in­tensiven „Ikebanatag“ ein.

Wieder machte Godelieve den Anfang und skizzierte den Einfluss antiker Wandschirme, Ki­monos und Gemälde auf die Entwicklung des Rimpa. Ursprünglich waren es viele Regeln gewesen, die eine korrekte Ausführung dieser Anordnung bestimmten. Dies sei nun stark ge­lockert. Wichtig sei die eindimensionale Wirkung des Rimpa zum Betrachter hin.

Danach regte sie an, nicht nur von den reichlich vorhandenen Hortensienblüten, sondern auch von den vielen Irisblüten für das Rimpa Gebrauch zu machen. Dabei gab sie eine De­monstration, wie man die weit aufgehende Irisblüte mit einem feinen Draht knapp unterhalb deren Hängeblätter kreisförmig abbindet und die Drahtenden geschickt hinten unter dem längsten grünen Hüllblatt versteckt. Damit wird die Blütenkrone scheinbar breiter und ähnelt somit viel stärker ihren japanischen Schwestern. Hier war mit großer Vorsicht und Sorgfalt bei den empfindlichen Blüten vorzugehen.

Bis zum Mittag war jede Teilnehmerin mit der Gestaltung des eigenen Rimpa beschäftigt. Godelieve korrigierte und lobte unermüdlich, bis alle Anordnungen „fotoreif“ waren.

Diesmal hatte Hannelore Krause passend zur Jahreszeit für alle Spargel zubereitet. Es gab leckere Spargelsuppe und einen Käsespargelauflauf. In lockerer Runde gab es viel Ge­spräch und Austausch über den „Blumenweg“.

Gegen 14.00 Uhr hatte Greta ihre Arrangements zur Demonstration fertig und hielt einen kleinen Vortrag über das hochentwickelte Farbempfinden der Japaner. Sie stellte das Buch „The Colors of Japan“ von Sadao Hibi vor. Japaner lieben die Ästhetik der Eigenfarbigkeit des Materials.

Nicht Juwelen und Orden zeigten im kaiserlichen Japan den Standesunterschied, sondern allein die Farbe der Kleidung ließ eindeutig auf den Stand schließen. Es war niemandem er­laubt die Farbe des höheren Standes zu tragen.

Eine Vortragszusammenfassung ging auf die unzähligen Namen der Grüntöne, die Farbe Schwarz verarbeitet in kostbaren Lackarbeiten, die elegante Farbe Weiß als heilige Farbe der Götter, der Geishas und auch dem Kleid einer Braut, ein. Rot in vielen Nuancen wird z.B. im Herbst von den gefärbten Blättern der meisten japanischen Ahornbäume getragen.

Danach zeigte Greta anhand der von ihr arrangierten Beispiele in den mitgebrachten wertvol­len Keramikschalen, wie man mit dem „grünen“ Material (Blattwerk, Gräser, grüne Blüten) eine freie Anordnung gestalten kann. Aber es war schwieriger als gedacht und manche Schweißperle rinnt, bevor die freie Anordnung bei jeder Teilnehmerin auch im eigenen Gefäß stand.

Gegen 16.00 Uhr verabschiedete Frau Krause die beiden lieben Gäste aus Belgien in ihrer herzlichen und charmanten Weise und übergab den beiden zur Erinnerung- was könnte bes­ser sein?- ein kleines Gefäß für neue Ikebanaanordnungen.

Dr. Angelika Hepp

Fotos: Dr. Angelika Hepp und Karin Kopp