STUDIOGRUPPE-NORDWESTDEUTSCHLAND der OHARA-IKEBANA-SCHULE
Seminar mit Dorothea Reuter
Manchmal
trübt die Nähe den Blick für das Naheliegende: Da
musste erst jemand aus dem Rheinland kommen, um den Norddeutschen zu
verdeutlichen, wie vielfältig und anregend ihre eigene
Landschaft ist. So geschehen bei einem Ikebana-Seminar am 06. und 07.
September 2008 in Leer in der Wilhelmine-Siefkes-Schule unter der
Leitung von Dorothea Reuter aus Leverkusen.
Durch
eine Fülle von Pflanzenmaterial erhielten die Räumlichkeiten
der Wilhelmine-Siefkes-Schule, eher nüchtern und abgenutzt,
einen ungeahnten Glanz. So waren es Zweige, Gräser und
Treibholz, die die Seminarleiterin aus dem Rheinland nach
Norddeutschland mitgebracht hatte. Weiteres Pflanzenmaterial wurde
gemäß den Vorstellungen der Seminarleiterin aus der
Umgebung zusammengetragen bzw. durch vom Blumenhandel beschafft.
Sollte doch nach Frau Reuters Wunsch jede Seminar-Teilnehmerin nach
eigenem Gusto aus dieser Vielfalt ihr favorisiertes Material
auswählen können, um ein Hanamai und eine Landschaft an der
Nordseeküste im späten Sommer/frühen Herbst zu
gestalten.
Obgleich
die Teilnehmerinnen alle in dieser Region wohnen und sich schon
längere Zeit mit Ikebana befassen, haben die wenigsten eine
realistische Landschaft im Ikebana umgesetzt, die einer
Dünenlandschaft nachempfunden worden ist. Mit Rosa rugosa,
Sanddorn, Kiefern, trockenen Gräsern, Treibholz u.a. stand
Material zur Verfügung, das sich z.B. im Dünengürtel
auf einer Nordseeinsel finden lässt, und zwar zu dieser
spätsommerlichen Jahreszeit. Vor Arbeitsbeginn musste man sich
entscheiden, ob die Dünenlandschaft vom Meer aus anzuschauen
sein sollte oder aber ob der Betrachter von den Dünen aus auf
das Meer schaut. Dies war wichtig, um die Wasserfläche in der
Schale als Meer entsprechend einzubeziehen. Der Wuchs in den Dünen
ist niedrig. Er kann eng oder nicht so eng sein. Vögel müssen
allerdings diesen Bewuchs durchdringen können. Daher durfte die
Anordnung des Materials nicht als ein "Klumpen" wirken.
Auch der Wind musste zu spüren sein. Als Basisform für die
Gestaltung dieser realistischen Landschaft sollte der Geneigte Stil
zugrunde gelegt werden.
Beim
Arrangieren dieser Landschaft war zu spüren, mit welcher
Intensität, Intuition und Freude die Einzelnen dieses Thema
umsetzten. Das eigene Empfinden der Landschaft war in allen kreierten
Landschaften deutlich zu spüren. Durch Frau Reuters Korrektur
wurde nicht nur sichergestellt, dass beim Betrachten der einzelnen
Werke das Gefühl aufkam, sich in einer Dünenlandschaft zu
befinden, sondern es wurde dabei auch die eigene Sichtweise bzw.
Vorstellung von Dünenlandschaften vertieft und fokussiert. Aus
dieser Ikebana-Gestaltung hat sich somit ein klares und ein tieferes
Verständnis für unsere Dünenlandschaften
herauskristallisiert.
Als
weitere Arbeit wurde ein Hanamai gestaltet. Dafür standen
Materialien wie Irisblätter, Agapanthus, Schusterpalmen-Blätter,
Sonnenblumen, Hortensien, Calla, Schleierkraut, Cosmea, Alstroemerien
und anderes mehr zur Verfügung.

Diese
moderne Form der Ohara-Schule ist dreidimensional und drückt die
Schönheit von Zweigen und Blütenstielen durch gegenseitige
Wechselbeziehung aus, so dass man sich einen "Blumentanz"
vorstellen kann. Dazu werden meist zwei oder drei Linien verwendet.
Diese können durch Zweige, lange Blütenstiele, Gräser
oder schmale Blätter präsentiert werden. Zuerst zeigte Frau
Reuter mit einer weißen Lilie, einem Schusterpalmenblatt und
mit einer bizarren Drachenweide und tags darauf mit einer langen
Hortensie, einem Irisblatt und einer Drachenweide, welche Punkte bei
der Gestaltung eines Hanamais zu beachten sind. Ganz gleich, ob es
drei besonders geformte Gefäße waren, in die die 3 Linien
eingesetzt wurden oder sie in nur einer Schale (rund oder rechteckig)
platziert wurden, wichtig war es in jedem Fall, den Begegnungspunkt
der Materialien im oberen Drittel des Arrangements genau
herauszuarbeiten. Durch die großartige klare Einführung
und illustrative Vorführung wurde jeder Teilnehmerin diese Form
nahe gebracht. Dadurch und durch die freie Auswahl des vielfältigen
Materials war jede inspiriert, ein attraktives Hanamai zu gestalten.
Dass diese Form der Ohara-Schule allerdings ihre "Tücken" hat, spürte jede Teilnehmerin bei der eigenen Ausführung. So stellte es eine Herausforderung dar, die Annäherung der zwei oder drei Linien so zu gestalten, dass die Arbeit eine Spannung erhielt, dass die Linien sich nicht kreuzten, dass kein eiförmiges oder zeltartiges Gebilde entstand, sondern letztlich ein harmonisches Werk. Durch die einfühlsame intensive Korrektur der Arrangements waren Hanamai entstanden, die leicht, beschwingt, graziös oder auch rustikal wirkten.
Für solch ein ausführliches, klar gegliedertes Seminar ist Danke zu sagen zu wenig. Von allen Teilnehmerinnen wurde die Art und Weise, wie dieses Seminar gestaltet war, mit großer Bewunderung und Dankbarkeit aufgenommen. Und der Wunsch, bald wieder ein Seminar unter der Leitung von Dorle Reuter zu genießen, wurde spontan von den Teilnehmerinnen geäußert.
Aber ohne die umfangreiche Organisation dieses Seminars durch Hannelore Krause wären diese beiden bereichernden Tage ebenfalls nicht möglich gewesen. Außerdem ist hervorzuheben, dass ohne Enno Krause, der die Natur und Umgebung hier wie seine eigene Westentasche kennt, vieles von dem gewünschten Material nicht zur Verfügung gestanden hätte. Ein herzliches Dankeschön für den unermüdlichen Einsatz der beiden.
Dass Rolf Reuter sich nicht scheute, ebenfalls zuzupacken, und uns damit einen harmonischen Ikebana-Ablauf gewährte und zudem für ausgewogene Fotos der Arbeiten sorgte, ist keine Selbstverständlichkeit, und dem gebührt ebenfalls unser ausgeprägter Dank.
Dr. Bärbel Hollmann |